Artikel der Tiroler Tageszeitung:
Maibaumbrauch – Strafrecht
Ein Interview von Alexandra Plank mit Mag. Harald Rossi
1. Gibt es zum Maibaum Urteile wegen Vandalismus?
Obwohl es oft ein schmaler Grat zwischen einer zulässigen Ausübung eines Brauchtums und der Verwirklichung eines gerichtlich strafbaren Tatbestandes, etwa einer Sachbeschädigung ist, sind die Leute, was das „Maibaum-Stehlen“ betrifft, toleranter als in anderen Bereichen, sodass noch keine Urteile des OGH existieren.
2. Wann wird ein Brauch zum Vandalenakt?
Das nach den Regeln eines anerkannten und ortsüblichen Brauchtum ausgeführte Baumstehlen wird wohl keine strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und kommt es in solchen Fällen nach meinen Erfahrungen auch nur ganz selten zu Strafanzeigen. Anders verhält es sich, wenn die Brauchtumsregeln nicht eingehalten werden oder ein Schaden entsteht, der nicht mehr als bloß unerheblich qualifiziert werden kann. Kritisch im strafrechtlichen Sinn würde es etwa werden, wenn der Maibaum nicht nur „gestohlen“ sondern bewusst beschädigt oder unbrauchbar gemacht wird. Die Zerteilung des Baumes würde wohl eine unzulässige Sachbeschädigung darstellen.
3. Wann ist etwas ein Brauch?
Eine gesetzliche Definition gibt es zurzeit nicht, hier muss auf die Wortbedeutung zurückgegriffen werden (etwa eine überlieferte langandauernde, regelmäßige, von der Gemeinschaft getragene, soziale Handlung…)
Im Falle eines derartigen Strafverfahrens besteht dann das Problem, dass der Richter entscheiden muss, ob die Verhaltensweise mit der anerkannten und ortsüblichen Brauchtumsausübung übereinstimmt oder nicht.
Artikel der Tiroler Tageszeitung vom 01.05.2019